Wie kommt der Strom in meine Steckdose?

16.04.2015 20:43 von Sabine Driehaus

(Hoch-) Spannung in Lüstringen

Vom Kraftwerk zur Steckdose


Unser (deutsches) Stromnetz ist etwa 1,7 Millionen Kilometer lang und ein Meisterstück der Regeltechnik. Tagein, tagaus versorgt es uns mit genau der Strommenge, die wir brauchen, koordiniert die vielen verschiedenen Einspeiser und Verbraucher und gewährleistet eine stabile Spannung und Netzfrequenz.
Dreh- und Angelpunkte der Stromversorgung vor Ort sind dabei die lokalen Umspannwerke:
Die (großen) Kraftwerke speisen ihren erzeugten Drehstrom (Drei-Phasen-Wechselstrom) ins überregionale „Übertragungsnetz“ ein. Dieses hat die Aufgabe, den Strom landesweit in die Nähe der Verbraucherzentren zu transportieren. Da dies meist über große Entfernungen geschieht, nutzt man dabei hohe Spannungen (220 kV, 380 kV).

Da sich unser Staubsauger aber nun nicht mit 220 oder 380 kV betreiben lässt, muss die Spannung verringert werden, bevor wir den Strom nutzen können. Das ist die Aufgabe der Umspannwerke; sie „transformieren“ die Spannung soweit hinunter, dass der Strom ins regionale „Versorgungsnetz“ eingespeist werden kann, welches aus drei Spannungsebenen besteht: Das „Verteilnetz“ (110 kV) regelt die regionale „Grobverteilung“ in Ballungsräumen oder größeren Industriebetrieben wie z.B. das Stahlwerk in Georgsmarienhütte. Das „Mittelspannungsnetz“ (10 kV, 30 kV) versorgt Verbraucher wie Krankenhäuser oder Fabriken. Auch kleinere Stromerzeuger wie Windkraft- oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen speisen auf dieser Netzebene ein. Das „Niederspannungsnetz“ (230 V, bzw. 400 V Drehstrom) verteilt den Strom an die privaten Haushalte und das Gewerbe.
Die verschiedenen Leitungen lassen sich „in freier Wildbahn“ durch die Größe der Isolatoren an den Strommasten identifizieren: Je höher die Spannung, desto länger die Isolatoren (pro 100 kV etwa 1m).
Im Umspannwerk Lüstringen laufen alle vier Spannungsebenen zusammen. Mit Hilfe großer „Transformatoren“ und Schaltanlagen wird dort die benötigte Strommenge / Spannung auf die verschiedenen Leitungen verteilt. Und damit bei einer Störung nicht gleich der ganze Betrieb still steht, gibt’s jedes wichtige Bauteil doppelt.


Der Mythos vom drohenden Blackout


Unser Stromnetz kommt in die Jahre; viele Leitungen sind über 50 Jahre alt. Kurioserweise wird das Alter der Leitungen aber kaum als Grund für die Reparaturen und nötigen Sanierungen ins Feld geführt – vielmehr sei es die fehlende Netzkapazität, die zum Bau neuer Leitungen zwinge, so die Netzbetreiber. Andernfalls drohten Stromausfälle.
Beklagen können wir uns allerdings bisher nicht. Seit 2008 ist in Deutschland unseres überalteten Stromnetzes und des Anstiegs von Ökostrom zum Trotz der Strom (statistisch) nicht länger als 16 Minuten pro Anwohner und Jahr ausgefallen (zum Vergleich: Großbritannien 81, Frankreich 91, USA 244 Minuten im Jahr 2012). Deutschland hat (jetzt schon!) eins der stabilsten Stromnetze der Welt. Laut Netzentwicklungsplan 2014 rechnen die Netzbetreiber trotz eines eventuell größeren Anteils an Elektrofahrzeugen auch nicht mit einem steigenden Strombedarf in Deutschland. Warum reichen unsere vorhandenen Netzkapazitäten nicht aus? Die Instandhaltung und Reparaturen am Netz gehören zu den Aufgaben eines Netzbetreibers und werden entsprechend vom Verbraucher bezahlt. Ebenso der größere regeltechnische Aufwand, der zweifellos durch die Einspeisung der dezentralen Ökostromerzeuger entsteht: Der führt sogar noch zu mehr Aufträgen, mehr Arbeitsplätzen und mehr Geld.
Wozu also diese Panikmache?

Wir bedanken uns herzlich bei Andreas Preuß und Norbert Krebeck von der Firma Amprion für die informative Führung über das Gelände des Umspannwerks in Lüstringen.

 

Transformator

Groß wie ein Eisenbahnwaggon – der neue Transformator: Hier wird aus Höchstspannung (380 kV) Hochspannung (110 kV)

 

Schaltanlagen

Hier wird geschaltet, aber nicht gewaltet – während des Betriebs werden alle Schaltanlagen ferngesteuert.

 

Fotos: Wolfgang Driehaus

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