Ab in den Süden!
15.02.2015 14:08 von Sabine Driehaus

Gleichstrom braucht eine lange Leitung
Kraftwerke, ganz gleich welcher Energieform, erzeugen in der Regel Wechselstrom oder – genauer gesagt – Drehstrom, einen sogenannten „Dreiphasen-Wechselstrom“.
Elektrische Energie lässt sich jedoch als Gleichstrom mit deutlich weniger Verlusten über mehrere hundert Kilometer transportieren. In diesem Fall muss der von den Kraftwerken erzeugte Drehstrom „gleichgerichtet“ und „gefiltert“ werden, bevor er als Gleichstrom auf die Reise geschickt wird. Am Ende der Leitung wird der Gleichstrom in einem umgekehrten Vorgang wieder in Wechselstrom verwandelt („wechselgerichtet“), damit er sich auf gebrauchsfähige Spannungen heruntertransformieren lässt. Der technische Aufwand des „Konvertierens“ oder „Stromrichtens“, also der Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt, ist enorm hoch: Die von Amprion geplante Konverterstation in Osterath (oder einem Alternativstandort) beispielsweise, die den Ballungsraum Ruhrgebiet an die Emslandleitung anschließen soll, hätte als Gesamtanlage eine Größe von 36 Hektar, das entspricht 50 (!) Fußballfeldern. Die eigentliche Konverterhalle, die nötig ist, um die starken elektromagnetischen Felder des Konverters abzuschirmen, böte allein schon Platz für 2 Fußballfelder und wäre 20 Meter hoch. Von den knapp 400 Millionen Euro, die dort verbaut würden, ganz zu schweigen. Deshalb sind Gleichstromleitungen nur dann sinnvoll, wenn der Strom möglichst abzweigungsfrei über weite Strecken geführt, das heißt, in Norddeutschland eingespeist und in Süddeutschland abgenommen wird.
Freileitungen – auch hier höchst umstritten
Die HGÜ – Technik (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) ist eigentlich ein alter Hut – neu ist lediglich die Verwendung von Freileitungen im bevölkerungsreichen Mitteleuropa. Diese gibt es sonst nur in „Flächenstaaten“ wie zum Beispiel Kanada, Russland, China oder in Afrika. Alle größeren europäischen Gleichstromleitungen wurden bisher als See- oder Erdkabel verlegt. Da Freileitungen mit ihren bis zu 75 Meter hohen Masten einen erheblichen Eingriff in die Natur und das Landschaftsbild darstellen, fragen die süddeutschen Bürgerinitiativen natürlich zu Recht, warum man ausgerechnet im dicht besiedelten Deutschland kaum Erdkabel vorsieht. Statt dessen nutzt man „Hybridmasten“, also Masten, die verschiedene Arten von Stromleitungen gleichzeitig führen, beispielsweise eine 380kV-Wechselstrom und eine 500kV-Gleichstromleitung. Damit lässt sich die Anzahl der Trassen reduzieren und vermutlich auch eine Menge Geld sparen.
Zentrale oder dezentrale Energieversorgung?
Kritik an den neuen Leitungen gibt es aber auch von etwas unerwarteter Seite: Die Göttinger Arbeitsgruppe „Netzwerkdynamik“ um den Physiker Marc Timme ist der Ansicht, dass der Anschluss vieler kleiner, dezentraler Stromerzeuger ans Netz die Netzstabilität nicht, wie die Netzbetreiber befürchten, beeinträchtigt, sondern das Netz eher noch stabilisiert. Eine Verstärkung der Leitungen oder der Bau großer, neuer Trassen wie die „Stromautobahnen“ unter Beibehaltung einer zentralen Energieversorgung (und dazu gehören auch die Offshore Windparks) bewirkten hingegen genau das Gegenteil (siehe auch:„Braess-Paradoxon“). Falle zum Beispiel ein großer Stromversorger aus, seien die Folgen dramatischer als bei einem Ausfall kleinerer Anlagen. Es besteht also noch großer Forschungsbedarf – sowohl im technischen Bereich, als auch bezüglich der Frage nach der Notwendigkeit, die sich angesichts des Aufwands auch hier stellt.
Vielleicht bevor man mit dem Bau der Leitungen beginnt?
Lesenswert für BissendorferIinnen....
...ist in diesem Zusammenhang der aktuelle Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, Transnet BW und 50Hertz. Im Abschnitt „Projektsteckbriefe Zubaunetz“, S. 5 / 6 finden Sie die Informationen zum Trassenverlauf desGleichstrom - Korridors B, in dessen Bereich die Gemeinde Bissendorf liegt (Abschnitt B04 von Wehrendorf nach Urberach), sowie die Kriterien („Szenarien“), die der Planung zugrunde liegen.
http://www.netzentwicklungsplan.de/_NEP_file_transfer/NEP_2014_2_Entwurf_Projektsteckbriefe_Zubaunetz.pdf