Saubere Energie für Bissendorf trifft Hochschule Osnabrück

28.09.2016 17:18 von Sabine Driehaus

Flexibilitätsmanagement“

Besitzer von Solaranlagen ohne Speicher kennen das: Großverbraucher wie Waschmaschinen oder Wärmepumpen zur Warmwasserbereitung lässt man vorzugsweise dann laufen, wenn die hauseigene Solaranlage am meisten Strom produziert. Daniel Hölker und Juliette Große Gehling setzen sich mit der Frage auseinander, wie man den Stromverbrauch auch in großem Rahmen zeitlich besser an die Stromproduktion anpassen kann, um Netzüber- aber auch -unterlastungen zu vermeiden. Wird mehr Strom produziert als verbraucht, werden momentan die flexibleren Ökostromanlagen abgeschaltet, da das Netz keinen Überschussstrom speichern kann. Im umgekehrten Fall müssen Kraftwerke kurzfristig zugeschaltet werden, um den Strombedarf zu decken (Regelreserve). Alternative Steuerungsmöglichkeiten bieten sogenannte „intelligente Verbraucher“, wie z.B. eine computergesteuerte Waschmaschine, die durch die Vernetzung „merkt“, wann sehr viel Strom verfügbar ist und sich dann selbst anschaltet. Denkbar wären auch Anreize über einen günstigeren Strompreis für Zeiten mit Stromüberschuss; dafür sind dann intelligente Stromzähler („Smartmeter“) zur minutengenauen Abrechnung erforderlich.

Zustimmung gegen Geld?“

Die Übertragungsnetzbetreiber dürfen laut Stromnetzentgeltsverordnung (StromNEV) den vom Leitungsausbau betroffenen Kommunen Geld zahlen, als Ausgleich für dadurch entstehende Belastungen. Die Kommunen müssen allerdings weder Belastungen nachweisen, noch eine Gegenleistung erbringen, und sie dürfen das Geld frei verwenden. Bis zu 40.000 Euro pro Kilometer Freileitung können die Netzbetreiber dabei über die Stromrechnung (Netzentgelte) auf die Verbraucher umlegen. Prof. Dr. Volker Lüdemann und Juliette Große Gehling untersuchten die Rechtmäßigkeit der dieser Praxis zugrunde liegenden Verordnung und kommen zu dem Schluss, dass die Ausgleichszahlungen und insbesondere die Umlage auf die Verbraucher rechtlich gesehen auf sehr wackeligen Füßen stehen. Der Gesetzgeber müsse jetzt reagieren und die Regelung für alle Beteiligten rechtssicher und gerecht gestalten. „Viele Kommunen lehnen diese Zahlungen jedoch ohnehin ab, um sich nicht dem Vorwurf „Zustimmung gegen Geld“ auszusetzen“, meint Juliette Große Gehling.  

Ein weiteres aktuelles Thema der Arbeitsgruppe ist die Prüfung der Gesetzesgrundlage für den Erdkabelvorrang.

Das ist so ungerecht!“

Prof. Dr. Reinhold Fuhrberg, Mona Thieme und Dimitrij Umansky erarbeiteten Kriterien für gerechte Bürgerbeteiligungsverfahren. Dazu gehören beispielsweise eine gute Zugänglichkeit sowohl zum Verfahren selbst als auch zu den Informationen, verständlich dargebotene Informationen, Ehrlichkeit und Offenheit sowie Gespräche mit den Betroffenen „auf Augenhöhe“.

Die Arbeit der Kommunikationswissenschaftler brachte Bürgermeister Guido Halfter sehr schnell auf das Thema „Bissendorfer Trassenfindungsprozess“. Er klärte über die Schwierigkeiten der Gemeindevertretung auf, eine Bürgerbeteiligung durchzuführen, die von allen Betroffenen als fair empfunden wird; wir konnten darlegen, wie der Trassenfindungsprozess von vielen Bürgern wahrgenommen wurde. Für die Wissenschaftler also ein interessantes Beispiel aus der Praxis.

Steuerung des Netzausbaus“

Ein vierter Aspekt des Forschungsprojekts wurde nur randlich erwähnt, da die Arbeitsgruppe leider nicht an dem Gespräch teilnehmen konnte. Prof. Dr. Dominik Halstrup und Viktoria Brendler beschäftigen sich mit der Art und Weise, wie Planung und Umsetzung des Netzausbaus effektiv gesteuert werden können. Der Netzausbau ist ein sehr komplexes Projekt mit vielen beteiligten Personen und Instanzen, die unterschiedliche Interessen, Verantwortung und Befugnisse auf verschiedenen Ebenen haben und miteinander kommunizieren und koordiniert werden müssen. Lösungen könnten hier Methoden und Verfahren aus den Disziplinen Betriebswirtschaftslehre, Organisationssoziologie (die Erforschung von „Arbeitsteilung“- „Kooperation“- „Herrschaft“ in Organisationen) und Sozialpsychologie (Wie wirkt sich die tatsächliche oder vorgestellte Gegenwart anderer Menschen auf das Erleben und Verhalten des Einzelnen aus?) bieten, die bisher in diesem Zusammenhang kaum angewendet werden. In „Expertengesprächen“ befragen die Wissenschaftler „zentrale Akteure des Netzausbaus auf Landes- und Bundesebene“ (Politik und Verwaltung) nach ihren derzeitigen Verfahren zu dessen Umsetzung und speziell zum Umgang mit Konflikten, um Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. So erscheint es z.B. sinnvoll, in Konfliktsituationen – oder um diese gar nicht erst entstehen zu lassen – vermittelnde Instanzen einzuschalten.

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Gastgebern, insbesondere bei Juliette Große Gehling als Organisatorin, für den netten Empfang und ein - trotz unserer gegensätzlichen Positionen bezüglich der Notwendigkeit des Netzausbaus – sachliches und sehr interessantes Gespräch mit der Aussicht, weiter in Kontakt zu bleiben.

 

 

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