Was zuerst? Schneller Netzausbau oder mehr Energiemix und Speicher?

21.04.2017 22:55 von Gerd Hündorf

(Foto: Jörg Siebauer / pixelio.de)

Was zuerst? Schneller Netzausbau oder mehr Energiemix und Speicher?

Die Netzbetreiber warnen immer wieder vor drohenden Blackouts, sollte der Netzausbau sich verzögern. Als Begründung führen sie hauptsächlich zwei sich auf den ersten Blick widersprechende Argumente an:

Gefahr durch Dunkelflauten
Besonders im Winter bestehe die Gefahr von Blackouts, weil die Stromerzeugung durch Windenergie zuweilen schwächele und zusätzlich die Produktivität der Photovoltaikanlagen am geringsten ausfalle, auf der anderen Seite aber die Stromnachfrage in dieser Jahreszeit am höchsten sei. Laut Presseberichten fielen im Januar 2017 die deutschen Ökostromanlagen wochenlang als Energielieferanten fast völlig aus. Wenig Wind und kaum Sonne. Fachleute nennen das „Dunkelflaute“.
Deshalb halten die Netzbetreiber auf Anweisung der Netzagentur Notfallkraftwerke als „Winterreserve“ vor. Momentan sind das noch Atom- und Kohlekraftwerke. Sie werden dann zugeschaltet, wenn die Stromnachfrage im Süden nicht gedeckt werden kann. Aber für diesen Zweck sind zur Zeit, einschließlich Windkraft, ausreichend Leitungen vorhanden. Wenn zu wenig Wind weht, nützen auch die Höchstspannungskabel von der Nordsee nach Bayern nicht, denn das Netz ist kein Stromspeicher.

Gefahr durch Überlastung
Besonders im Winter bestehe die Gefahr von Blackouts, weil gerade dann viel Wind wehe und der erzeugte Strom wegen fehlender Höchstspannungsleitungen nicht nach Süden transportiert werden könne. Dann drohe der Zusammenbruch des Stromnetzes wegen Überlastung.
Die Netzbetreiber sehen also weniger die Stromerzeugung als vielmehr das fehlende Höchstspannungsnetz als Gefahr. Die Versorgungssicherheit sei „derzeit nicht akut gefährdet“, schreiben die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, Transnet-BW und 50-Hertz. Doch hätten sich die Belastung der Stromnetze und damit die Risiken für die Versorgung im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich erhöht: Es entstehe zunehmend ein Nord-Süd-Gefälle zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch in Deutschland. Dies führe zu extrem starken Belastungen des Höchstspannungsnetzes, die besonders in den Wintermonaten bei starker Windeinspeisung in Verbindung mit einer hohen Last kritisch werden könnten.

Ist ein schneller Ausbau des Übertragungsnetzes die Lösung?
Ein angepasster Netzausbau ist ein Teil der Lösung, wobei man unterscheiden muss zwischen der Überbrückung langer Strecken per Höchstspannung und Verteilnetz mit niedriger Spannung. Für die Energiewende ist vor allem letzteres wichtig. Der Stromverbrauch muss intelligenter werden, und wir brauchen verschiedene Möglichkeiten der dezentralen Nutzung und Speicherung. Und erst wenn man weiß, wo Strom produziert und gespeichert wird, müsste der Netzausbau angepasst werden.
Geeignete Maßnahmen zum Überbrücken von Dunkelflauten ohne das Betreiben konventioneller Kraftwerke sind zum Beispiel grundlastfähige erneuerbare Energien wie Biomasse-, Geothermie- und Solarthermiekraftwerke mit Wärmespeicher, der Ausbau der Stromnetze zur weiträumigen Vernetzung von Regionen mit unterschiedlichen Wetterbedingungen, die Sektorenkopplung (Vernetzung und Optimierung von Elektrizität, Wärmeversorgung und Verkehr), der Einsatz von Energiespeichern sowie die Flexibilisierung von Verbrauchern, beispielsweise mit Smart Grids.
Stromspeicher, die eine so lange Zeitspanne überbrücken könnten, sind noch nicht installiert. Dazu werden verschiedene Gründe angegeben: Es gebe sie noch nicht oder sie seien nicht effektiv genug bzw. zu teuer.

Wir brauchen eine Speicherstrategie!
...und der Bundesrat fordert diese auch: Darin geht es nicht nur um die großräumige Planung von Langfrist-Speichern, sondern auch um den Aufbau kleinerer, dezentraler und schneller zu realisierender Speicher.

In den kommenden Ausgaben des Blickpunkts werden wir über verschiedene schon erfolgreich betriebene und in Projekten getestete Speichermöglichkeiten berichten.

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